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Aktien Anlage

Schritt 9
Gesamtkapitalrendite

Wie wir im vorigen Abschnitt ausführlich erfahren haben, sind gut geführte Unternehmen in der Lage ihre Eigenkapitalrendite regelmäßig zu steigern. Die Entwicklung der Eigenkapitalrendite ist aussagekräftiger als das Gewinnwachstum in absoluten Zahlen. Der Grund? Die Eigenkapitalrendite ist eine Verhältniszahl während absolute Zahlen Wachstum vorgaukeln können, wo tatsächlich bereits rückläufige Entwicklungen in Unternehmen stattfinden.

Dazu wollen wir uns in diesem Abschnitt mit der Gesamtkapitalrendite befassen, einer weiteren Verhältniszahl, deren Vorteil - im Vergleich zur Eigenkapitalrendite - darin liegt, dass sie nicht nur Eigenkapital berücksichtigt, sondern das gesamte investierte Kapital. Wir schauen uns also an, ob ein Unternehmen Vermögen aufbaut oder vernichtet - nicht nur im Hinblick auf sein Eigenkapital, sondern einschließlich der von Gläubigern zur Verfügung gestellten Fremdkapitalanteile. Das können also Anleihen sein, die das Unternehmen begibt, Kredite, die es bei seiner Hausbank aufnimmt, Lieferantenkredite, etc.

Wieder sehen wir uns an, was ein Unternehmen innerhalb eines Jahres aus 100 € macht. 105, 125 oder 85 €? Diesmal achten wir bei der Betrachtung aber nicht darauf, woher das Geld kommt, mit dem das Unternehmen arbeitet, ob von seinen Aktionären (= Eigentümern) oder von seinen Gläubigern. Unter Gläubigern verstehen wir an dieser Stelle also all jene, die dem Unternehmen Kapital zur Verfügung stellen, ausgenommen die Aktionäre.

Alles klar? Wenn nicht, dann solltest Du unbedingt weiterlesen, denn wir werden gleich anhand eines Beispiels beschreiben, warum Wachstum nicht gleich Wachstum ist und welcher Unternehmensbaum gewissermaßen von innen her ausgehöhlt wird, obwohl er nach außen hin noch prächtig blüht.

Der Leistungsausweis von Mittelmäßig, Langweilig & Partner sieht auf den ersten Blick beachtlich aus. Bereits sechs Jahre hat es die Firma geschafft, kontinuierlich den Betriebsgewinn jedes Jahr um 20% zu steigern. Und bei einem KGV von 10, "... da kann man doch eigentlich nichts verkehrt machen ...", magst Du denken. "Endlich mal habe ich ein Schnäppchen gefunden, das noch keiner entdeckt hat." Aber halt, auf welcher Basis steigt der Betriebsgewinn?

Sehen wir uns dazu einmal die Ertragsentwicklung von Mittelmäßig, Langweilig & Partner genauer an:

Jahr Unternehmensgewinn investiertes     Gesamt-    % Veränderung
      (DFVA-Ergebnis)     Kapital    kapitalrendite des Betriebsgewinns 
2011                       500                            20
2012       100             600            18.2            20
2013       120             740            17.9            20
2014       144             999            16.6            20
2015       172.8          1398.6          14.4            20
2016       207.36         2097.9          11.9            20
2018       248.83         2986             9.8            20
2017       298.6          3881.8           8.7            20

Zur Erklärung: Die angegebenen Gesamtkapitalrenditen entsprechen dem Gewinn geteilt durch den Mittelwert von aktuellem Kapital und Kapital ein Jahr zuvor.

Wie wir unschwer erkennen können, hat sich der Unternehmensgewinn im betrachteten Zeitraum fast verdreifacht. Sehen wir uns hingegen die vierte Spalte, nämlich die Gesamtkapitalrendite an, so erkennen wir, dass diese von 18,2% kontinuierlich gefallen ist und mittlerweile nur mehr 8,7% beträgt.

Im Klartext heißt das aber nichts anderes, als dass Mittelmäßig, Langweilig & Partner in 2012 aus 100 € noch 118,2 € gemacht haben, 2017 hingegen jährlich nur mehr 108,7 € je 100 € erwirtschaften.

Zu beachten ist, dass wir in unserem Beispiel - der Einfachheit halber - den kalkulatorischen Zinsertrag der tatsächlich erzielten Gesamtkapitalrendite nicht gegenübergestellt haben. Wir haben also nicht jenen Zinsertrag berechnet, den ein Unternehmen erzielen würde, wenn es das Kapital auf seinem Bankkonto lässt - und jegliche Aktivitäten einstellt. Der ausgewiesenen Gesamtkapitalrendite müsste man aber in einem umfassenden Vergleich sämtliche Kapitalkosten, also die tatsächlichen, nämlich Zinsen auf Fremdkapital, und die kalkulatorischen, also jene auf den Eigenkapitalanteil, gegenüberstellen. Je nachdem, welchen kalkulatorischen Zinssatz wir annehmen, könnte das für Mittelmäßig, Langweilig & Partner in unserem Beispiel bereits konkret bedeuten, dass die Firma derzeit nicht einmal mehr die Kapitalkosten erwirtschaftet - ein Rezept für die Pleite!

Auf die Unternehmensaktivitäten bezogen zeigt uns die stetig fallende Gesamtkapitalrendite, dass das Unternehmen 2012 viel lukrativere Projekte erfolgreich realisiert hat als 2017. Die Gründe dafür können vielseitig sein, und wir sind sicher, dass das Management für diese Entwicklung jede Menge Erklärungen bereit hat. Für uns ist aber eines klar: Hier arbeitet eine gigantische Wertvernichtungsmaschinerie, die immer mehr Kapital ansaugt und immer weniger Werte schafft. Allmählich verstehen wir auch das "günstige" Kurs-Gewinn-Verhältnis. Wir aber werden uns nach einem anderen Unternehmen umsehen, das Werte schafft, anstatt diese zu vernichten.

Schritt 1: Einführung
Schritt 2: Gewinnbasierte Bewertungen
Schritt 3: Das dynamische Kurs-Gewinn-Verhältnis
Schritt 4: Von Wachstum und Hoffnung - die kumulierte Wachstumsrate
Schritt 5: Von Verkaufserlösen und Unternehmenskäufen
Schritt 6: Weitere Beispiele zur Anwendung des Kurs-Umsatz-Verhältnisses
Schritt 7: Renditebasierte Bewertungen
Schritt 8: Eigenkapitalrendite
Schritt 9: Gesamtkapitalrendite
Schritt 10: Cashflow - Geld wächst nicht auf Bäumen
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