Die Leser unserer Schule der Geldvermehrung sind bisher ganz schön auf
die Folter gespannt worden. Vier Schritte mussten sie über sich ergehen
lassen und haben immer noch keinen längeren Absatz über die Aktienanlage
gelesen. Dabei haben sie uns doch zurecht in Verdacht, dass wir für die
Geldanlage den Aktienmarkt favorisieren. Wenn Sie bis hierher
durchgehalten haben, haben Sie bewiesen, dass Sie über eine der
wichtigsten Eigenschaften erfolgreicher Anleger verfügen: eine gehörige
Portion Geduld. Glückwunsch!
Was ist eigentlich eine
Aktie? Dann wollen wir uns also mit der Börse befassen, dem Platz,
an dem Aktien gekauft und verkauft werden. Aber halt! Wir wollen doch
nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Zunächst denken wir
darüber nach, was eine Aktie (im Englischen: share = Anteil) eigentlich
ist. Sie ist nichts anderes als ein bestimmter (wenn auch winziger) Anteil
am Eigentum eines Unternehmens, einer Aktiengesellschaft. Als
Anteilseigner erhalten die Aktionäre von vielen dieser Gesellschaften
einen Teil des Gewinns in Form der so genannten Dividende. Sie wird von
deutschen AGs einmal im Jahr gezahlt. Aktien werden, wie bereits oben
erwähnt, an der Börse gehandelt. Wer sich professionell-vornehm ausdrücken
will, sagt, dass sie an der Börse notiert sind. Aktien müssen über Banken
und Sparkassen, die sich dafür bezahlen lassen, gekauft und verkauft
werden. Kommt ein Auftrag (vornehm: Order) zum Kauf oder Verkauf einer
bestimmten Aktie an der Börse an, wird dort der Preis von einem Kursmakler
gemäß Angebot und Nachfrage festgesetzt.
Aktien- und Wochenmarkt
Der Kurs einer Aktie wird, wie der Preis für Gurken auf Oma
Krauses Wochenmarkt, durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Wenn viele
Leute dort Gurken kaufen wollen und nur eine bestimmte Menge dieses
Gemüses zur Verfügung steht, wäre der Händler dumm, auf die gestiegene
Nachfrage nicht mit einer Preiserhöhung zu reagieren. Der Gurkenpreis
steigt also. Umgekehrt ist es, wenn während der deutschen Erntesaison das
Gurkenangebot drastisch erhöht wird und das Bedürfnis der Kunden, Gurken
zu kaufen, nicht mit der Mengenerhöhung Schritt hält. Der Gurkenpreis wird
dann fallen. Ähnlich ist es mit Aktien: Höhere Nachfrage nach einem
bestimmten Papier bei wenig Verkäufern wird seinen Preis steigern und ein
besonders großes Angebot bei fehlendem Kaufwillen seinen Kurs fallen
lassen. So schön dieser Vergleich auch aussieht, man darf ihn nicht
überstrapazieren:
- Gurken werden von den wenigsten Leuten gekauft, weil sie sie
weiterverscherbeln wollen, sondern weil sie sich einen schönen Salat
zubereiten möchten. Aktien dagegen werden erworben, weil die Käufer
meinen, dass ihr Preis demnächst steigt und sie beim Wiederverkauf einen
Gewinn erzielen können. (Dabei sagte Oma Krauses Neffe Ferdinand
neulich: "Da haben wir den Salat!" Da waren die Aktien, die er auf
Empfehlung eines Arbeitskollegen nach dessen Analyse gekauft hatte,
gerade drastisch im Preis gefallen. Aber das ist eine andere
Geschichte.)
- Es gibt keine Saat- und Erntezeiten für Aktien.
- Die Preisfindung für Gemüse auf dem Wochenmarkt erscheint im Gegensatz zur Börse wesentlich
durchschaubarer, obwohl diese auch nur eine große
Marktveranstaltung ist.
Was bewegt die Aktienkurse?
Wäre diese Welt gerecht, drückte
sich im Preis einer Aktie stets genau die Stärke und Leistungsfähigkeit
des jeweiligen Unternehmens aus. Verbesserten sich seine Gewinnaussichten,
stiege der Preis. Verschlechterte sich die Situation, fiele sein
Aktienkurs. Allerdings ist unsere Welt nun einmal alles andere als fair,
und viele andere Faktoren außer den Zukunftsaussichten des Unternehmens
können und werden den Aktienkurs beeinflussen. Nicht selten sind dies z.B.
Weise Studien, die sich damit beschäftigen, wie es der Aktiengesellschaft
in Bälde ergehen könnte.
Dies kann ein Anleger
ausnutzen. Das Entscheidende dabei ist nämlich, dass viele der
"Ungerechtigkeiten" beim Zustandekommen eines Aktienkurses durch simple
menschliche Instinkte, wie Angst, Gier oder das unbezwingbare Bedürfnis,
mit der Herde mitzulaufen, verursacht werden. Dies ermöglicht es dem
gewieften Anleger, unbemerkt von den Weisen sein eigenes
Süppchen zu kochen während diese aufgeregt in ihre Telefone schreien:
"Kaufen! Halten! Verkaufen! Ja Du Idiot: Eine Pizza Funghi mit doppelt
Käse, verdammt nochmal!"
Mit Aktien lässt sich Geld
verdienen
Die Aktie war in den letzten Jahrzehnten die weitaus
profitabelste Anlageform - und das trotz der globalen Finanzkrise 2009.
Dies gilt nicht nur für das kapitalistische
Wunderland USA, sondern auch für Deutschland. Wer im Jahr 1997 einen
Geldbetrag von 10.000 EUR in den DAX angelegt hätte, wäre in 2017 bei
27.000 EUR. Das ist eine durchschnittliche jährliche Rendite von 5%.
Hätte man in 1997 10.000 Euro auf ein Sparbuch gelegt, würden die
Mickerzinsen in 2017 ca. 12.000 Euro gebracht haben. Infolge der Inflation
entspricht 12.000 EUR aber nur einer Kaufkraft von 9340 Euro. Ein Sparer
hätte also einen kräftigen realen Verlust hinnehmen müssen. Mit einer
Anlage auf ein Tagesgeldkonto sieht es nicht viel besser aus. Real
brachte eine solche Anlage im selben Zeitraum nur ein kleines Plus.
Wie wichtig solche
Prozentunterschiede sind, ist uns im zweiten Schritt über das Wunder des
Zinseszinses noch gut in Erinnerung. Der Aktienmarkt mag kurzfristig stark
schwanken, aber langfristig steigt er immer. Langsam bekommt unsere
Bemerkung aus dem ersten Absatz über Geduld ihren Sinn. Nicht
wahr?
Bisher haben wir lediglich den abstrakten Begriff
"Aktienmarkt" benutzt, den wir zunächst einmal naiv als die Gesamtheit
aller in Deutschland gehandelten Aktien betrachten. Oma Krause kann
natürlich nicht einfach zur Börse gehen, einem der Makler nonchalant 1000
Euro auf den Tresen legen und sagen: "Für 1000 Euro den Gesamtmarkt bitte,
aber nicht so viel BASF!" Sie muss einzelne Aktien kaufen. (Nebenbei
bemerkt: Natürlich kann sie auch einzelne Aktien nicht selbst an der Börse
erstehen. Dafür muss sie schon die Dienste einer (Direkt)Bank oder
Sparkasse in Anspruch nehmen. Zuvor muss sie dort ein so genanntes
Wertpapierdepot eröffnen in dem die Aktien dann bis zum Wiederverkauf
verwahrt werden.) "Aber gerade in der Auswahl einzelner Aktien liegt doch
das Risiko", hören wir jetzt die Skeptiker rufen. "Dafür brauchen wir doch
professionelle Hilfe. Dort liegt ja die Gefahr des Kasinos
Börse."
Ein kleines Zufallsexperiment
Kasino! Das ist ein
schönes Stichwort. Kasinos haben mit
Glücksspiel, also mit dem Zufall zu tun. Wie wäre es, wenn wir einmal die
Entwicklung der Kurse von zufällig ausgewählten Aktien betrachteten? Oma
Krause mag solche Gedankenexperimente, und sie hat 30 kleine Zettel, einen
Bleistift und einen Kanarienvogel. Auf jeden dieser Zettel schreibt sie
den Namen einer DAX-Aktie. (Für dieses Gedankenexperiment müssen wir nur
wissen, dass im "Deutschen Aktienindex (DAX)" die 30 größten deutschen
Aktiengesellschaften zusammengefasst sind. Oma Krause hat also die Auswahl
aus 30 verschiedenen Aktien.) Nun kommt der Zufall in Gestalt ihres
niedlichen Kanarienvogels ins Spiel. Den lässt sie fünf Zettel aus dem
kleinen Topf mit den 30 Papierstückchen herauspicken. Das Ergebnis dieses
komplizierten Wertpapier-Auswahlprozesses ist ein Depot aus fünf
DAX-Aktien. Nun nimmt sie sich den Wirtschaftsteil ihrer Tageszeitung (Mit
dem legt sie immer den Boden des Vogelkäfigs aus.), notiert sich die Kurse
"ihrer" Aktien und verteilt eine fiktive Summe gleichmäßig auf diese fünf
Papiere. Dann tut sie lange Zeit gar nichts. Nach zehn Jahren will sie
nachschauen, was aus ihrem Aktienvermögen geworden wäre. Auf Wiedersehen,
liebe Leser! Kommt doch bitte in zehn Jahren wieder vorbei und helft Oma
Krause auszurechnen, was für eine durchschnittliche Jahresrendite ihr
Aktienkorb wohl erzielt hätte. Bis dann!
Moment! Wenn Ihr erst in
zehn Jahren wieder vorbeischaut, entgehen euch jede Menge Spaß. Deshalb ist es wohl besser, wenn wir euch
verraten, dass dieses Gedankenexperiment bereits durchgeführt wurde. Das
"Deutsche Aktieninstitut" hat so einen Versuch im Jahr 1998 gemacht. Aber
weil seine Mitarbeiter eine große Datenbank hatten und zu ungeduldig
waren, zehn Jahre zu warten, haben sie den Auswahlprozess einfach in die
Vergangenheit verlegt und dann nachgeschaut, was mit einem solchen
Zufallsdepot passiert wäre. Und weil sie einen Computer hatten, haben sie
nicht ein einziges, sondern 1500 dieser Depots erzeugt und berechnet. Das
Ergebnis war beeindruckend: Bei einer Haltedauer von zehn Jahren ergab
sich im Durchschnitt eine jährliche Rendite von 11,8% pro Jahr! Dies war
unser Beitrag zum Thema Glücksspiel und Börse. Hätte Oma Krause doch vor
zehn Jahren Aktien gekauft!
Was lernen wir daraus? Langfristig ist
die Geldanlage in Aktien immer lukrativ. Für einen Langfristanleger ist es
bei vernünftiger Aktienauswahl sogar sicherer, sein Geld in Aktien zu
haben, als auf dem Sparkonto (wegen der Inflation!). So viel zum Thema Risiko der
Aktienanlage!
Aber Vorsicht!
Langfristig! Dieselbe Studie
zeigt, dass bei einer Haltedauer von fünf Jahren und kürzer sehr leicht
auch Verluste eingefahren werden. Deshalb weisen wir an dieser Stelle
darauf hin, dass man keinesfalls Geld, das man innerhalb der nächsten fünf
Jahre braucht, in Aktien investieren sollte, denn die Aufwärtstendenz des
Aktienmarktes ist keineswegs geradlinig. Es gibt Jahre, wie 2009, die schlechte
Ergebnisse bringen, sehr schlechte sogar. Aber auf lange Sicht sind diese
Jahre in der DAX-Grafik nichts anderes als kleine Rückschläge, mithin
Umwege auf der Reise nach Norden. Die Trinkkumpane von Oma Krauses Neffen
Ferdinand sagen scherzhaft: "Alkohol tötet langsam. Aber wir haben Zeit!"
Wir bemerken dagegen todernst: "Mit Aktien wird
man nicht von heute auf morgen reich. Aber wir sind
geduldig!"
Und was tun?
Da wir nun eine Vorstellung vom Kasino Börse haben, können
wir schon einmal andeuten, wie man agiert. Man geht nicht mit der Masse. Man ist keiner der professionellen Lemminge
und privaten Zocker (in der Presse werden sie häufig Daytrader genannt),
die in der Hoffnung auf den schnellen Euro auf jeden Zug aufspringen und
jedem Trend an der Börse hinterherlaufen. Man handelt manchmal gegen die Masse.
Außerdem sucht man auf dem Börsenparkett nach Nischen, die noch unentdeckt
und deshalb nicht von den Weisen besetzt sind. Was ist dabei der größte
Vorteil? Man ist bei seinen Entscheidungen nur sich selbst gegenüber
verantwortlich und muss sich nicht bei Vorgesetzten und der Öffentlichkeit
für die kurzfristige Wertentwicklung seiner Aktien verantworten. Deshalb
hat man Zeit, und kann von der langfristig positiven Aufwärtstendenz der
Aktienmärkte profitieren. "Ja, wie sollen wir denn nun am besten
langfristig investieren? Bisher gab es doch nur Andeutungen, aber nichts
Konkretes", hören wir die Leser rufen. Ja, das ist eine sehr gute und
berechtigte Frage, fast die Kernfrage nach unserer Daseinsberechtigung. Aber bevor wir antworten, müssen wir erst noch
etwas über den Umgang
mit dem Risiko und die schlauen Tricks der Weisen erzählen.
Schritt 1: Einführung
Schritt 2: Was bedeutet Geldanlage eigentlich?
Schritt 3: Das Wunder des Zinseszinseffektes
Schritt 4: Ziele setzen und runter mit den Schulden
Schritt 5: Die Legende vom Lottogewinn
Schritt 6: Kleinanleger an die Börse!
Schritt 7: Vom Umgang mit dem Risiko
Schritt 8: Wie die Weisen unser Geld verwalten
Schritt 9: Besser als die Weisen
Schritt 10: Zusammenfassung
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